Wege aus der Unternehmenskrise

UnternehmenskriseDer Weg von den ersten Krisenanzeichen eines Unternehmens bis hin in die existenzbedrohende Liquiditätskrise ist häufig lang und kann sich manchmal über Jahre hinweg entwickeln. Die Erfahrung zeigt, dass die wenigsten Unternehmer einer beginnenden Krise die notwendige Beachtung schenken. Vielmehr handeln sie häufig erst dann, wenn die Liquiditätskrise bereits eingetreten ist. Die Folge dieser „Späterkennung“ besteht darin, dass die Handlungsmöglichkeiten zur Gegensteuerung weitestgehend eingeschränkt sind und an Stelle der unternehmerischen Selbstbestimmung die Fremdbestimmung getreten ist.

Je früher also eine Krisensituation erkannt wird, desto größer sind die Chancen und Handlungsmöglichkeiten der erfolgreichen Gegensteuerung (Turnaround).

Aus diesem Grunde sollte sich jeder Unternehmer die Zeit nehmen, sein Unternehmen kontinuierlich einer Analyse zu unterziehen, um so über den jeweils aktuellen Stand genau informiert zu sein und Veränderungen sowie auch erste Anzeichen einer Krise frühstmöglich zu erkennen. Der Unternehmer sollte dabei ehrlich mit sich und der Firmensituation umgehen und auf keinen Fall die Augen vor einer sich abzeichnenden Krise verschließen in der Hoffnung „Na, das wird schon werden“.

Die Ursachen einer Unternehmenskrise sind vielfältig. Sie können z.B. extern in einer veränderten Marktsituation, veränderte staatliche Vorgaben, Konjunkturflaute, Rückfahren der Kreditlinien, Forderungsausfälle etc. liegen. Interne Auslöser können mangelndes Controlling, Fehler im Management, Fehleinschätzung der eigenen Situation, fehlende Risikobereitschaft, Fehlinvestitionen etc. sein. Externe und interne Faktoren schließen sich nicht aus, sondern treffen häufig aufeinander und verschärfen sich zusätzlich bzw. bedingen sich sogar durch überhastetes falsches Reagieren auf die diversen Einflüsse

Die vier Stufen der Unternehmenskrise

Stufe 1: Erste Anzeichen einer drohenden Krise (Erfolgskrise)

  • Die Angebotsnachfrage sinkt
  • Neue Kunden/Auftraggeber bleiben aus
  • Das angebotene Sortiment sinkt deutlich
  • Es fehlen Strategien, konkrete Ziele sowie Pläne zur Zielerreichung
  • Der Erfolg getätigter Investitionen wird nicht überprüft
  • Es fehlen wichtige Kennziffern über den Stand des Unternehmens
  • Es wird nicht ausreichend kalkuliert (Vor-/-Zwischen/-Nachkalkulation)
  • Über die Betriebskosten (z.B. Kosten einer Arbeitsstunde) besteht kein ausreichender Überblick
  • Es wird von „Auftrag zu Auftrag“ gearbeitet
  • Der Führungsstil wird hektischer
  • Ohne ausreichende Markt- und/oder Kundenanalyse hektischer Wechsel oder Ausweitung der Produktpalette

Stufe 2: Rentabilitätskrise

  • Umsatz und Gewinne sinken
  • Es werden häufiger höhere Skontoabzüge zur Zahlungsbeschleunigung angeboten
  • Es werden höhere Nachlässe und Zusatzleistungen angeboten, um einen Auftrag zu erhalten
  • In Preisverhandlungen wird man nachgiebiger
  • Absatz und Produktivität der Mitarbeiter sinken
  • Zahlungsziele werden häufiger überschritten
  • Es wird häufiger um Ratenzahlung gebeten
  • Das Kreditlimit wird häufiger überschritten
  • Es besteht keine ausreichende Kenntnis über Verlustquellen
  • Das Eigenkapital wird zusehends angegriffen
  • Das Verhältnis Gewinne / Privatentnahmen passt nicht mehr zueinander
    (entweder werden die Privatentnahmen immer weiter reduziert oder aber über Fremdmittel wie Kontokorrentkredite finanziert)
  • Zunehmender Vertrauensverlust bei Banken, Lieferanten und Mitarbeitern
    Die Vorlage von BWA`s, Finanzierungsplänen, Ertragsvorausschauen usw. wird verzögert
  • Lieferanten wechseln häufiger, Bestellungen werden reduziert
  • Es wird nach weiteren Bankverbindungen/Kreditgebern gesucht
  • Kurzarbeit/Entlassungen drohen
  • Die Organisation und Koordination im Unternehmen verschlechtert sich zunehmend, ebenso wie ganz allgemein die Kommunikation
  • Zwecks Verschleierung gestaltet sich die Unternehmensführung immer undurchsichtiger
  • Stornierung oder Aufschub z. B geplanter/dringender Reparaturen
  • Häufung von Reklamationen von Kunden oder Abnehmern

Stufe 3: Liquiditätskrise

  • Flüssige Mittel (Liquidität) sind kaum noch vorhanden
  • Living by Konto-Auszug
  • Verschuldung steigt zunehmend
  • Banken, Lieferanten u.a. Kreditgeber schrauben die Kreditlinien zurück
  • Es bestehen Steuer- und Sozialversicherungsrückstände
  • Löhne können nur noch schleppend bis gar nicht gezahlt werden
  • Gläubiger mahnen massiv
  • Abweichungen zwischen angekündigten und tatsächlichen Zahlungseingängen

Stufe 4: Akute Insolvenzbedrohung

  • Es besteht Zahlungsunfähigkeit / Überschuldung
  • Die Banken geben kein Geld mehr
  • Zwangsvollstreckungen der Gläubiger wie Kontopfändungen, Vollstreckungsbescheide usw. sind an der Tagesordnung
  • Totaler Vertrauensverlust der Banken, Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter

Aber auch ohne Anzeichen einer Krise sollte jedes Unternehmen in regelmäßigen Zeitabständen die Marktsituation analysieren, um

  • sich veränderten Marktsituationen zeitnah und flexibel anpassen zu können
  • sich auf geändertes Kundenverhalten rechtzeitig einstellen zu können
  • frühzeitig umsatzwirksame Strategien zu entwickeln
  • neue, gewinnbringende Möglichkeiten / Geschäftsbereiche nicht zu verpassen

Dasselbe gilt für eine regelmäßige Analyse der Unternehmenssituation, um

  • verlustbereiche und Verlustquellen frühzeitig zu erkennen und korrigierend einzugreifen
  • überholte Unternehmensstrategien den veränderten Situationen anzupassen
  • immer einen aktuellen Überblick über den finanziellen Stand zu haben
  • Liquiditätsengpässe bereits im Vorfeld zu vermeiden, ggfs. durch Auflösung vorhandener Liquiditätsreserven. Erfahrungsgemäß kündigen sich Liquiditätsengpässe vor Eintritt bereits mind. 2 bis 3 Monate vorher an und sind mittels kontinuierlichem Controllings und Führung eines Liquiditätsplanes bzw. Zwischen-/Nachkalkulation (Soll-/Ist-Analyse) zu diesem Zeitpunkt erkennbar und in vielen Fällen vermeidbar

Angemerkt sei hier noch, dass ein Unternehmer, der sich genauestens auf dem Markt und mit den Zahlen seines Unternehmens auskennt, nicht zuletzt dadurch auch bei Banken und anderen Kreditgebern für das notwendige Vertrauen sorgt und sich mit überzeugender Sicherheit und Selbstbewusstsein in Verhandlungen begeben kann.

Unternehmenskrise – Was ist zu tun?

Ist eine Krisensituation eingetreten, sollte zunächst ein „Kassensturz“ in Form einer genauen Überprüfung der Situation erfolgen, um realistisch zu beurteilen, ob das Unternehmen noch überlebensfähig ist. Hierbei sollte nicht versucht werden, Zahlen „schön zu reden“, um so im Resultat lediglich eine Scheinsanierung von nur kurzer Dauer zu erreichen. Auch sollte beachtet werden, dass eine Sanierung nicht „über Nacht“ erfolgt. Je fortgeschrittener die Krise ist, desto höher gestaltet sich der Zeitaufwand für eine Sanierung.

Stellt sich bei der Überprüfung heraus, dass das Unternehmen nicht überlebensfähig ist, sollten die weiteren Schritte (auch wenn dies sehr schwer ist) nach Möglichkeit in einem geordneten Rückzug oder aber letztendlich in der Insolvenz liegen. Um eine weitere Verschärfung der Situation zu vermeiden, sollten diese Schritte kurzfristig nach Erkennen der Sachlage erfolgen.

Ist das Unternehmen überlebensfähig, müssen schnellstmöglich die Bedingungen abgeklärt werden, die für den Firmenerhalt notwendig sind.

Hierzu sollte ein entsprechendes Sanierungskonzept, die genaue Strategie sowie ein Terminplan zur Ausführung der Vorgehensweise erarbeitet werden. Je aussagekräftiger und realistischer sich das Konzept darstellt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Banken oder andere Geldgeber es mittragen.

Erste Maßnahmen in der Liquiditätskrise

Hat ein Unternehmen diese Krisenphase erreicht, hat die kurzfristige Sicherung der Liquidität vor allen anderen Maßnahmen oberste Priorität.

  • Forderungen massiv eintreiben
  • Lager-/Sonderverkäufe durchführen
  • z.Zt. nicht benötigtes betriebliches Vermögen wie Maschinen, Fahrzeuge, Grundstücke usw. veräußern. Um die notwendige Liquidität zu erreichen, können z.B. Maschinen und Fahrzeuge verkauft und später mittels Leasingverträge ersetzt werden (Sale and Lease back)
  • Geschäftspartner, Investoren suchen
  • Kurzfristige Überbrückungskredite (z.B. Liquiditätssicherungsdarlehen der KfW)
  • Stillhalteabkommen mit Banken / Lieferanten schließen
  • Dispositionskredite in langfristige Darlehen umwandeln
  • Stundungen oder Ratenzahlungen mit Finanzamt und Krankenkassen vereinbaren. Lassen Sie sich nicht auf Vereinbarungen ein, die Sie im Nachhinein nicht einhalten können!
  • Einbindung der Mitarbeiter durch Verzicht auf Zulagen oder Stundung der Löhne (oder einen Teil des Lohnes). Oft haben gerade die Mitarbeiter, bedroht durch Arbeitsplatzverlust, großes Interesse am Fortbestehen des Unternehmens und sind durchaus zu Einschränkungen bereit
  • Bildung von Vertrauen bei Mitarbeitern, Gläubigern, Lieferanten und Kunden durch z.B. offene Kommunikation, Vorlegen eines aussagekräftigen Sanierungskonzeptes, Einhalten von getroffenen Vereinbarungen usw.

Im weiteren Verlauf des Sanierungsprozesses sind folgendeMaßnahmen  zu ergreifen:

  • Aufstellung und kontinuierliche Führung eines detaillierten Liquiditätsplanes inkl. Soll-/Ist-Vergleich
  • Überprüfung der Marktsituation sowie des Kundenverhaltens auf Änderungen
  • Überprüfung der Unternehmensstrategie auf Aktualität und ggfs. Neuorientierung in bestimmten Bereichen
  • Personelle Änderungen auf der Führungsebene
  • Überwindung persönlicher und emotionaler Widerstände
  • Rückzug aus unprofitablen, verlusteinbringenden Unternehmensbereichen
  • Konzentration auf gewinnbringende Unternehmensbereiche und Stärkung / Ausbau derselben
  • Erschließung neuer, lukrativer Geschäftsbereiche und Kundenstämme
  • Werbewirksame, umsatzfördernde Maßnahmen wie Sonderaktionen oder Dienstleistungen, die der Mitbewerber nicht anbietet
  • Änderung / Straffung des Sortiments
  • Prüfung, ob Verlagerung kostenintensiver Arbeitsabläufe auf externe Anbieter wirtschaftlicher ist (Make or Buy)
  • Durchleuchtung der betrieblichen Kosten nach Einsparmöglichkeiten
  • Freisetzung von Personal
  • Intensivierung des Mahnwesens
  • Nutzung staatlicher Förderprogramme
  • Kooperationen bilden, z.B.
    • Ausführung größerer Aufträge mit einem Geschäftspartner. Auf diese Weise entsteht z.B. für den einzelnen Unternehmer eine höhere Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit ohne zusätzliches Personal einstellen zu müssen. Gleichzeitig sind die Risiken verteilt.
    • Größere Anschaffungen wie z.B. Maschinen in Absprache mit anderen Partnerfirmen tätigen. So muss nicht jedes Unternehmen die gleichen teueren Maschinen anschaffen, sondern sie werden bei Bedarf untereinander ausgeliehen.
    • Einkaufpools zwecks Erreichung niedrigerer Preise und höherer Rabatte bilden
    • Räumlichkeiten gemeinsam nutzen (sie können trotzdem untereinander geteilt sein) und die Kosten für die Bürokraft teilen.
  • Motivierung der Mitarbeiter durch z.B.
    • Mitarbeitergespräche: Lob, Anregungen und Kritik zulassen und prüfen
    • Übertragen von mehr Eigenverantwortung und damit ein „Wir-Gefühl“ schaffen
    • Stärkere Einbindung der Führungskräfte und nutzen ihres „Know-hows“
    • Vorbildliches koordinieren und organisieren der Führungskräfte

Es ist unschwer zu ersehen, dass die vielfältigsten Möglichkeiten und größten Chancen für eine erfolgreiche Gegensteuerung im konsequenten Handeln vor bzw. direkt bei Eintreten in die Erfolgskrise liegen. Aus diesem Grunde sollten Sie als Unternehmer immer ein besonderes Augenmerk darauf haben, eine sich anbahnende Krise bereits an den ersten Anzeichen zu erkennen. Auch wenn die Entwicklung einer Krise sich über einen langen Zeitraum hinziehen kann, ist das Fortschreiten dynamisch. Sie sollten also bereits bei den ersten sich abzeichnenden Fehlsteuerungen (Frühwarnsystem) agieren.

In einer massiven Liquiditätskrise ist es oftmals für den betreffenden Unternehmer schwer, „klaren“ Kopf zu bewahren und den „Faden“ nicht zu verlieren. Zu dem extremen Druck von außen (Gläubiger, Banken, Ämter etc.) kommt hier häufig hinzu, dass der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert ist und die Probleme in den privaten Bereich übergreifen. Die bestehende Situation wird nur noch als ein „einziges Chaos“ wahrgenommen, dem man gnaden- und hilflos ausgeliefert ist und dessen Beseitigung ein schier unüberwindbares Hindernis darstellt.

In dieser Krisensituation sollten Sie auf keinen Fall davor scheuen, extern objektiven Rat und Hilfestellungen zu suchen, da in den meisten Fällen die betroffenen Unternehmer nicht mehr in der Lage sind, die noch bestehenden Möglichkeiten zu erkennen und wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen.

Wir helfen Ihnen, damit es bei Ihnen weitergeht!